Ich erlebe in OKR-Beratungen oft folgende Phasen:

Phase 1: Euphorie

Jemand in der Firma hat John Doerrs Buch Measure What Matters gelesen, seinen TED-Talk gesehen oder einen anderen OKR Ambassador erlebt. Und nun berichtet er/sie anderen von dem „neuen Managementsystem“, mit dem Google so erfolgreich geworden ist, und schnell ist eine Überzeugung da: Das wollen wir auch haben!

Phase 2: Erste Zweifel

Die meisten Unternehmen probieren dann erst einmal, OKR, mehr oder weniger, im Alleingang einzuführen. Das System klingt simpel genug. Indem mehr Menschen im Unternehmen involviert werden, kommen auch erste kritische Stimmen auf. Und sowohl beim Erarbeiten der tatsächlichen OKR, als auch bei der Frage, wie genau das mit dem bottom-up und sideways funktionieren soll, wird deutlich, dass es doch nicht ganz so einfach ist.

Phase 3: Neuer Versuch mit einem Berater

Das ist meist der Moment, in dem erfahrene OKR-Berater hinzugezogen werden. Nun werden Workshops und Trainings durchgeführt, Prozesse definiert, Tools eingeführt und OKRs systematisch definiert. Dabei steht meist das Methodische im Vordergrund. Über mehrere Quartale, in denen der Prozess stark durch Berater moderiert wird und eine hohe Management-Attention auf dem Thema liegt, spielt sich so ein Vorgehen ein.

Man formuliert OKRs nun richtig. Nur leider ist damit noch lange nicht gesagt, dass diese OKRs auch die richtigensind.

Phase 4: Mittelfristige Ernüchterung

So passiert es nur allzu häufig, dass nach der mühsamen Einführung von OKR eine Ernüchterung eintritt: Werden nun tatsächlich ambitioniertere Ziele gesetzt und auch tatsächlich erreicht? Ziehen alle nun an einem Strang und stimmen sich perfekt ab? Ist eine neue Kultur des gemeinsamen Wollens entstanden? Leider müssen viele feststellen: eher nein. Das bringt sie nicht gleich dazu, OKR wieder abzuschaffen, aber die Euphorie des Beginns weicht dann doch eher einer Ernüchterung.

Das ist schade, denn die Erwartungen, die in ORK gesetzt werden, sind durchaus berechtigt. Die Ernüchterung hingegen ist das Resultat eines Missverständnisses und dieses möchte ich gerne genauer beleuchten.

Jedes Zielsystem – und OKR ist da leider keine Ausnahme – kann nur so gut sein, wie die Menschen, die es anwenden. Fehlendes Know-why, Know-what oder Know-how kann niemals durch ein System oder eine Methode kompensiert werden. Und wenn Unternehmen ernüchtert feststellen, dass ihre OKRs doch nicht so durchdacht und brauchbar sind, dann liegt das vermutlich weniger am OKR-System, als an der Befähigung von Führungskräften und Mitarbeitern, bessere Ziele zu erarbeiten. Das ist jedoch weniger eine methodische Kompetenz, die man in einem OKR-Webinar vermitteln könnte. Auch OKR Champions fehlt es meist an inhaltlicher Expertise, um hier wirklich unterstützen zu können.

Die richtigen Ziele zu entwickeln, ist schwer. Und es braucht Zeit – jedes Quartal aufs Neue. Ohne regelmäßige Unterstützung und Feedback schaffen es nur die wenigsten Führungskräfte, die notwendige Zeit und Anstrengung auf sich zu nehmen.

Was es hier braucht, ist echtes Leadership und eine Führung, die motivieren, beraten und moderieren kann – und sich dafür die Zeit nimmt.

Unterstützen können dabei erfahrene Coaches/Berater, deren Kompetenz nicht nur im methodischen liegt, sondern die sich auch inhaltlich einbringen können.

Es gibt keinen Grund ernüchtert zu sein: Die große Partizipation und Transparenz von OKR wird auf allen Ebenen helfen, bessere Ziele zu erarbeiten und zu verfolgen. Aber es braucht auch eine neue Führungskultur, um zu wirklich guten Zielen zu kommen.

Ist der Tag der Rückkehr gekommen?

Im Zuge der Abnahme der Infektionszahlen und der immer höheren Impfquote fragen sich viele: Wann ist eigentlich der Zeitpunkt gekommen, wieder in die früheren Arbeitswelten im Büro zurückzukehren? Oder soll dauerhaft eine wie immer geartete Form des virtuellen Teamwork fortgesetzt werden?

In diese Frage hinein platzt die Nachricht des Silicon Valley Giganten Apple, der seine Mitarbeiter auffordert, zumindest an drei Tagen pro Woche wieder ins physische Büro zu kommen – begleitet im Übrigen mit allerlei Unmutsbekundungen seitens der Belegschaft. Muss hier dem Management eines Unternehmens, das die Digitalisierung maßgeblich mitgestaltet hat, eine rückwärtsgewandte Denkweise bescheinigt werden? Oder gibt es handfeste Gründe, die eine solche Anwesenheit im Büro notwendig machen?

Deutschlands Firmen sehen, einer Umfrage des Münchner Ifo-Institut im Oktober 2020 zufolge, das Homeoffice weit weniger positiv als viele Arbeitnehmer. Demnach bemerkt nur eine kleine Minderheit von 5,7 Prozent der Unternehmen eine Steigerung der Produktivität beim mobilen Arbeiten. Dagegen meldeten 30,4 Prozent der Firmen unveränderte und 27 Prozent sogar gesunkene Produktivität ihrer Belegschaften. Für die übrigen befragten Unternehmen ist Homeoffice ohnedies keine Option, wie zum Beispiel am Bau.

Ein Grund zur Freude oder einer zum Ärgern?

Zu dem Thema gibt es offenbar stark divergierende Meinungen, was auch nicht weiter erstaunen sollte. Weniges motiviert, demotiviert und emotionalisiert Menschen stärker als der eigene Arbeitsplatz, samt seiner technischen Ausstattung. Der Großteil aller Konflikte in Teams dreht sich darum: Wer sitzt wo? Neben wem? Allein im Büro oder im Großraum? Wer geht wann wie oft rauchen? Wer telefoniert zu laut? Wer lässt sich wie oft im Büro blicken, etc.

Den Fehler, den viele nun begehen, ist, vorauszusetzen, dass sowieso alle ähnlich empfinden und denken. Und wer das Homeoffice schon immer abgelehnt hat, der kann nur schwer nachempfinden, warum andere verbittert um ihre Chance kämpfen, von zu Hause arbeiten zu dürfen. Dabei sollte es keine Frage mehr sein, ob Home-/Mobileoffice funktioniert – sondern wie ein Team seine Zusammenarbeit gemeinschaftlich organisieren kann, sodass den Bedürfnissen, Erwartungen und natürlich auch Anforderungen aller Stakeholder genüge getan wird – natürlich auch denen der Führungskraft.

Die Führungskraft hat es dabei mit einer besonderen Problematik zu tun: Sie will, im Sinne eines arbeitnehmerfreundlichen Images des Unternehmens, dem Wunsch nach Arbeit im Homeoffice entsprechen, gleichzeitig aber auch sicherstellen, dass darunter die Zusammenarbeit nicht leidet. Wenn es blöd läuft, ist sie bei allen der Buhmann/ die Buhfrau.

Ein Workshop zur Zusammenarbeit im Team

Was es deshalb braucht, ist keine Anweisung der Führung, wie nach Corona gearbeitet werden soll, sondern eine intensive Auseinandersetzung im Team darüber. Die Entscheidung, die dann gemeinschaftlich getroffen wird, wird nicht jedem 100%ig entsprechen – aber auch das heißt es, in einem agilen, autonomen Team zusammenzuarbeiten: zu akzeptieren und sich danach zu richten, was für das gesamte Team am besten ist und gleichzeitig die Individuen so wenig wie nötig beschränkt.

Meine Empfehlung also: Halten Sie einen Workshop, um die Zusammenarbeit im Team nach Corona zu besprechen. Sammeln Sie gezielt Eindrücke zu Fragen wie:

  • Was funktioniert (mittlerweile) gut in der remote Zusammenarbeit?
  • Wo leidet unsere Zusammenarbeit unter fehlender physischer Nähe?
  • Wo bzw. zu wem braucht es eine größere, physische Nähe, als zuletzt?
  • Wie viel % der Arbeitszeit würde jeder gerne im Home-/Mbolieoffice verbringen?
  • Was muss noch an Tools/Regelungen verändert werden, um besser remote zusammenzuarbeiten?

Ist das Thema sehr emotional aufgeladen, kann es sich auch lohnen, einen Moderator/Mediator hinzuzuziehen und daraus ein Teamtraining zu machen. Sonst entstehen schnell Konflikte, die – egal ob remote oder in Präsenz – die Zusammenarbeit und den Erfolg im Team gefährden.

 

Business as usual

Wollen wir überhaupt so weitermachen wie zuvor?

Ich habe lange nichts geblogged, weil mir schien: In dieser existenziellen Krise möchte ich lieber nichts sagen als etwas Belangloses. 

In den letzten Tagen habe ich jedoch eine Sorge entwickelt, die es mir wert scheint, sie mit anderen zu teilen. 

Diese hat nichts mit der Krise an sich zu tun, als mit der Frage, was wir aus ihr lernen. 

 

Was mich in den letzten Wochen am meisten erstaunt hat, ist, wie leicht wir uns als Gesellschaft taten, unser privates wie berufliches Leben von einem Tag auf den anderen komplett umzustellen. Da war sie einmal, die vielfach geforderte Veränderungsbereitschaft. Nicht nur „Yes we can“, sondern „Yes we do“. Kaum gab es einen Aufschrei angesichts der großen Einschnitte in unser privates wie berufliches Leben, die wir alle hinnehmen mussten. Statt dessen haben wir uns angepasst, haben Lösungen für die neue Situation gefunden, haben nicht nur über Change und Transformation philosophiert, sondern uns tatsächlich verändert. Das ist das Wunderbare an uns Menschen. Diese Wandlungsfähigkeit, wenn sie nur wirklich gefordert ist. 

 

Umso mehr wundert es mich, wenn sich nun bei den ersten Lockerungen schon wieder die Stimmen mehren, bald könnten wir wieder zurück gehen zu unserem alten, gewohnten (Arbeits-)Leben. Business as usual. 

Die Frage, die sich mir hingegen stellt, ist: Wollen wir überhaupt so weitermachen wie zuvor? 

 

Hat nicht diese Krise gezeigt: Wenn wir nur wollen, geht es auch anders? 

Was haben wir uns vergeblich angestrengt den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Und siehe da: Es geht doch! Wir müssen nicht permanent in der Weltgeschichte herumfliegen, kleinste Besorgungen mit dem Auto machen. Wir haben nicht nur die Technik für Videokonferenzen – man kann sie auch tatsächlich produktiv und effektiv nutzen! Im Übrigen nicht nur zum Wohle der Umwelt: Was wurden in den letzten Wochen Reisezeiten gespart! All der Stress, um rechtzeitig von einem Ort zum nächsten zu gelangen. All die Verspätungen, die wir und diejenigen, die auf uns warten, sonst erdulden müssen. 

 

Ich denke auch an die vielen Berufsgruppen im Gesundheitswesen, der Altenpflege, Kinderbetreuung, Schulen, aber auch die Mitarbeiter in den Supermärkten, deren großen Wert für die Gesellschaft wir endlich einmal wieder gesehen haben, die wir als Helden bejubelt haben, denen wir einen Bonus zahlen wollten. War das nur eine Momentaufnahme, ein äußert flüchtiger Zeitgeist? 

 

Viele sind sich auch der eigenen Sterblichkeit bewusst geworden und haben sich grundlegende Fragen gestellt wie: Bin ich eigentlich richtig in meinem Job? Ist es das, was ich wirklich machen möchte? Oder auch: Habe ich die richtigen Prioritäten in meinem Leben gesetzt? All die großen Fragen, für die man sonst nie Zeit hat, plötzlich waren sie da, drängten sich auf. In all der Düsternis tauchten Visionen auf von einem anderen Leben, einer größeren Erfüllung, vielleicht auch von einer Rückbesinnung auf das, was wirklich wichtig ist. 

Und jetzt? Ist das alles schon wieder weg? Puh, noch mal Glück gehabt!? 

 

Wenn sich nun also der Lockdown wieder lüftet, bleibt für mich die Frage: Wollen wir wirklich, ganz sicher, so weitermachen wie zuvor? 

Oder nicht doch besser noch einen Moment innehalten und überlegen: Was können wir lernen aus dieser Krise? Was wollen wir anders machen, auch wenn wir es nicht mehr müssen? 

Das ist eine Chance. Für unsere Regierung. Für die Unternehmen. Für Führungskräfte. Für jeden einzelnen. 

Machen wir was draus. 

Open Leadership

ITO Open Leadership

Die smarte Alternative zu agiler Führung

ITO Open Leadership

Manchmal sind es kleine Dinge, die einen auf etwas viel Größeres aufmerksam machen.

Eine Trainerin fragte mich kürzlich, ob sie oder ihr Co-Trainer den Lead in einem Training übernehmen sollte.

Sie war die externe Vertriebstrainerin, er ein interner Fachexperte.

Ihr schien die Sache klar: Da er der interne Vertreter war, sollte er auch den Lead haben.

Aber das kann man natürlich auch anders sehen: Immerhin war sie die externe Trainingsspezialistin, die ja genau dafür eingekauft worden war: dafür zu sorgen, dass das Training gut läuft.

„Können wir nicht beide im Lead sein?“ fragte sie.

„Schon, aber was, wenn es zu einer brenzligen Situation kommt? Braucht es dann nicht doch einen, der mehr im Lead ist?“

Diese kleine Diskussion findet so oder so ähnlich sicherlich in vielen Organisationen statt, die Hierarchie zu Gunsten von Agilität abgebaut haben.

Die agile Führung lässt weitgehend das Team entscheiden. Aber was, wenn dann wichtige Entscheidungen von niemanden getroffen werden?

Kehrt man dann einfach wieder zur autoritären Führung zurück? Zumindest temporär?

Oder hat die ganze agile Führung, ehe sie wirklich Fuß gefasst hat, schon wieder ausgedient?

In der Tat löst das Wort „agil“ mittlerweile bei vielen schon großen Widerwillen aus. Und der „agilen Führung“ wird sowieso mit sehr viel Skepsis begegnet. Wobei die Reaktionen irgendwo zwischen „Wie soll das funktionieren?“ und „Ist das überhaupt etwas Neues?“ liegen.

Diese Skepsis kommt mir berechtigt vor.

Gut, dass in den letzten Jahren noch ein anderes Konzept entstanden ist, das meiner Ansicht nach wesentlich mehr Aufmerksamkeit verdient hätte: Open Leadership.

Was ist Open Leadership?

Open Leadership baut auf der Überzeugung auf, dass in jedem Menschen Führungspotenzial steckt. Und dass jeder Mensch in bestimmten Situationen der geeignetste ist, um sich selbst und/oder andere zu führen.

Führung ist deshalb bei Open Leadership keine Stelle, sondern eine Funktion, die dynamisch verteilt wird. Dabei wird situativ Führungsbedarf geklärt und wie er am besten gedeckt werden kann – durch den Open Leader oder andere. Es ist daher maximal partizipativ. Entscheidungen können und sollen möglichst dort getroffen werden, wo am meisten Kompetenz dafür ist. Darin folgt sie dem Grundgedanken der Agilität.

Aber anders als bei agilen Organisationsformen wird Führung nicht einfach ans autonome Team abgegeben. Bei Open Leadership gibt es nach wie vor hierarchische Führungskräfte, bei denen auch die letztendliche Verantwortung bleibt, z.B. für ausreichende Motivation und Steuerung zu sorgen. Anstatt aber den kompletten Bedarf an Führung selbst decken zu wollen, bringt der Open Leader wo immer möglich andere, und insbesondere besser geeignete, ins Leadership.

Bei Open Leadership ist also immer klar, wer im Zweifelsfall entscheidet.

Aber es ist genauso klar, dass wer normalerweise entscheidet keine Frage der Hierarchie, sondern eine Frage der Kompetenz ist.

Open Leadership ist also eine Führung,

  • die nicht hierarchisch zementiert ist, sondern offen
  • in der nicht immer die Führungskraft führt, sondern wer am besten geeignet ist
  • in der nicht nur jeder sich selbst führt, sondern andere, ebenso wie die Führungskraft sich auch von einem Mitarbeiter führen lässt
  • in der der Mitarbeiter auch Entscheidungen für andere treffen können
  • in der es aber auch Führungskräfte gibt, die sicherstellen, dass ausreichend geführt und entschieden wird

Was macht die Führungskraft als Open Leader?

  • Sie prüft den Führungsbedarf und sorgt dafür, dass dieser gedeckt wird durch den am besten Geeigneten.
  • Sie bringt Entscheidungen an die Stelle, an denen die dafür größte Kompetenz vorhanden ist, und lässt entscheiden.
  • Nicht selten lässt der Open Leader sogar darüber andere entscheiden, was er selbst tun soll.
  • Sie weiß dabei, dass sie die letztendliche Verantwortung behält und immer dahin selbst entscheidet, wenn niemand anderes es tut.
  • Damit das funktioniert, ist der Open Leader auch dafür verantwortlich, Open Leadership in die Organisation zu tragen.

Zurück zu meinem kleinen Beispiel vom Beginn.

Was heißt das für die Frage, wer von zwei Trainern den Lead in einem Training haben soll?

Ich denke so: Einer sollte in die Rolle des Open Leaders schlüpfen und Sorge dafür tragen, dass möglichst stets derjenige im Lead ist, der für einen Part der geeignetere ist. Läuft alles glatt, fällt das gar nicht groß auf: Beide übernehmen gerne Teile und lassen sich gegenseitig viel Raum. Entsteht aber einmal eine Situation, in der ein Führungsvakuum entsteht, weil niemand den Lead bei sich sieht, übernimmt der Open Leader diese Verantwortung.

Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Open Leadership ist keine Technik, die man einfach mal anwendet. Es bedarf einer echten Transformation, um eine Open Leadership Culture zu schaffen. Ich halte das aber für die smartere und nachhaltigere Veränderung, als lediglich auf Agilität in der Führung zu setzen.

Schreiben Sie mir, wenn Sie das auch so sehen. Und lassen Sie uns austauschen, wie wir mehr Open Leadership in Organisationen hineintragen können!

 

Der Traum vom selbstgesteuerten Team

In vielen Diskussion rund um agile Führungskonzepte höre ich immer wieder, dass die „klassische Führung“ ausgedient hat. Propagiert wird das Team, das sich weitgehend selbst steuert und in dem jeder – je nach Situation – Steuerung übernehmen kann. Ich sage bewusst „Steuerung“, denn ich sehe das lediglich als einen Teil der Führung an. Unstrittig ist dabei, dass in einer hochspezialisierten, sich schnell verändernden Arbeitswelt die Führungskraft nicht mehr der allwissende Manager sein kann, sondern viel Steuerung an diejenigen abgibt, die Experte ihres Fachs sind. Oder um es mit Steve Jobs zu sagen: „It doesn’t make sense to hire smart people and tell them what to do“. 

Das hat die agile Führung gut erkannt und damit viel unseliges Micromanagement aus der Welt geschafft. 

 

Bedarf an fachlicher und disziplinarischer Führung

Dabei ist das eigentlich gar nichts Neues. In den meisten Unternehmen werden schon lange zwei Arten von Führung praktiziert: Die fachliche und die disziplinarische. 

Nichts anderes meint agile Führung, wenn sie propagiert, dass nicht immer nur die Führungskraft, sondern jeder führen kann und soll, je nach Anlass und notwendiger Expertise. Der selbstgesteuerte Experte ist die fachliche Führungskraft – niemand kann sie fachlich besser steuern als sie sich selbst. Und sie ist auch die geeignetste, um andere in ihrem Fachthema zu steuern. 

Warum uns das bei der agilen Führung dennoch so neu vorkommt, liegt wohl daran, dass diese an sich sinnvolle Aufteilung in fachliche und disziplinarische Führung in der Vergangenheit nicht sehr konsequent stattgefunden statt. 

Da wurde der beste Facharbeiter nicht nur zur fachlichen Führungskraft, sondern gleich auch mit zur disziplinarischen – ohne aber vielleicht dafür überhaupt geeignet oder qualifiziert zu sein. 

Umgekehrt wurden mitunter disziplinarische Führungskräfte rekrutiert (gerne von extern), die gleichzeitig fachlich führen sollten – ohne aber dafür die notwendige Expertise mitzubringen. 

 

Die Abschaffung der Führung

Dieses Dilemma scheint mir nun so gelöst zu werden, dass man die disziplinarische Führung in weiten Teilen ganz einfach abschafft. 

Jeder will nur noch fachlicher Leader sein oder gar komplett selbstgesteuert. Damit geht aber eine entscheidende Funktion verloren. Und das mit Folgen: 

Immer öfters werde ich als Berater in Situationen hinzugezogen, in denen ganz offensichtlich eines fehlt: Führung. Und auch wenn ich mich über Aufträge nie beschweren möchte, sehe ich doch ein wachsendes Vakuum entstehen, das die Unternehmen doch lieber selbst füllen sollten, als es an externe Berater zu delegieren. 

Es braucht sie noch: Die Führungskraft, die entscheidet, auch wenn es nicht alle gut finden, die dafür sorgt, dass auch ungeliebte Dinge gemacht werden, die Konflikte aufgreift und schlichtet, die sich um Mitarbeiter kümmert und Karrieren entwickelt, die eine Vision und Strategie durchsetzt. 

Und nur weil sie in der Vergangenheit nicht alles immer so perfekt gemacht hat, heißt dies noch lange nicht, dass sie deshalb komplett obsolet geworden wäre. 

 

Agile Führung darf und soll auch Führung sein

Indem die agile Führungskraft sich aus der fachlichen Führung weitgehend heraushält und sich eher als Unterstützer der Selbststeuerung von Individuen wie auch Teams definiert, aktiviert sie fachliche Steuerungsressourcen auf Mitarbeiterebene. Denn dafür braucht es schlicht keine Führungskraft, solange der Mitarbeiter nur über die notwendige Expertise und Verantwortung verfügt. Damit wird sie noch freier, sich um die Führung zu kümmern, die nur von außen kommen kann. 

Dafür braucht es dann auch wieder Menschen, die wirklich führen wollen und nicht nur fachlich. Die zukünftige Führungskraft ist dabei nicht mehr der „heroische Anführer“, sondern findet sich ein in ein System an gemeinschaftlicher Führung, das sich bewusst ist, so jemanden auch zu brauchen. 

 

Die Frage ist also nicht: Hat Führung ausgedient? 

Sondern: Welche Führung braucht es und wer kann diese am besten ausfüllen? 

 

 

 

Wahrscheinlich kennen Sie die berühmten Marshmallow-Experimente, die der Psychologe Walter Mischel Ende der 1960er Jahre durchführte: Er gab Kindern z.B. ein Marshmallow und sagte Ihnen „Wenn ihr das Marshmallow nicht esst, bis ich wiederkomme, bekommt ihr noch ein zweites.“ Während es einigen Kindern gelang, sich selbst zu kontrollieren, konnten andere nicht der Versuchung widerstehen, das Marshmallow gleich zu essen. Als er die gleichen Testpersonen Jahrzehnte später wieder befragte, zeigte sich: Diejenigen, die ihr Verlangen kontrollieren konnten, hatten im Schnitt ein höheres Bildungsniveau, mieden Drogen und hatte auch einen niedrigeren Body-Mass-Index. Die Fähigkeit zur Selbstkontrolle bei so etwas Simplem wie Essensverzicht ermöglichte statistisch signifikante Prognosen.*

Umso erstaunlicher ist, wie wenig Bedeutung bis heute der Selbststeuerungsfähigkeit in Einstellungsprozessen zugemessen wird. Kaum ein Assessment enthält Übungen, die gezielt Selbststeuerung oder Selbstkontrolle messen, ganz zu schweigen von Interviews. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass in traditionellen Führungsmodellen die Fähigkeiten zur Selbststeuerung vermeintlich weniger wichtig war – es gab da ja immer noch die Führungskraft, die für eine notwendige Steuerung sorgen konnte.

In heutigen agilen Arbeitswelten wird jedoch aus gutem Grund die Selbststeuerung als wesentliche Voraussetzung für effektives Arbeiten propagiert. Was muss nun jemand mitbringen, der über diese Fähigkeit verfügt? Und wie könnten man sich dessen versichern in Einstellungsverfahren? Diesen Fragen wollen wir hier nachgehen.

 

Was ist eigentlich Selbststeuerung?

 

Selbststeuerung ist die Fähigkeit Motive zu priorisieren, Ziele zu entwerfen, Handlungspläne zu entwickeln und diese in kontrollierten Schritten umzusetzen, bis das Ziel erreicht ist oder aufgegeben werden muss.

Hieraus folgt eine zunächst überraschende Erkenntnis: Jeder Mensch verfügt grundsätzlich über die Fähigkeit zur Selbststeuerung. Schon das Kleinkind ist in der Lage, etwa Hunger zu erkennen, sich das Ziel zu setzen etwas zu Essen und Schritte zu unternehmen den Hunger zu stillen, sei es durch Schreien, Weinen, oder auch dem Gang zum Kühlschrank.

Was meinen wir dann, wenn wir sagen: Jemand ist selbstgesteuerter als jemand anderes?

 

Stellen wir uns zwei Berufsanfänger vor. Während der eine abends Management-Literatur liest, sieht der andere Unterhaltungssendungen. Beide habe Motive, die sie erfolgreich befriedigen. Vielleicht würde sich aber auch derjenige, der abends noch büffelt, lieber entspannen. Was ihn unterscheidet, ist, dass er bestimmte, kurzfristige Motive zurückstellen kann, um andere längerfristige zu erreichen. Auch unser zweiter Mitarbeiter verfügt aber möglicherweise über eine hohe Selbststeuerung: Er will vielleicht nur keine Management-Karriere machen.

Das heißt: Ob jemand eine ausgeprägte Fähigkeit zur Selbststeuerung hat, können wir nur beurteilen, wenn wir seine Ziele kennen und Beispiele, in denen er auf bestimmte, kurzfristige Dinge verzichtet hat, um längerfristige zu erreichen. Wer wirklich Karriere machen will, sollte gewillt sein, andere Dinge hintenanzustellen. Sein Wille sollte sich ausdrücken in seinen Handlungen.

Selbststeuerung heißt aber nicht nur Motive zu priorisieren. Wir können uns auch vorstellen, dass beide dem Ziel der Karriere alles unterordnen und Verzicht üben. Trotzdem gelingt es vielleicht dem einen, einen gangbaren Weg zu planen, während der andere planlos auf sein Ziel zuläuft. Und selbst wenn beide einen Plan haben, kann es immer noch sein, dass einer sich selbst genau kontrolliert während der Umsetzung, während der andere abarbeitet, ohne sich darum zu kümmern, ob denn Zwischenziele auch erreicht werden.

 

Wie kann man die Fähigkeit eines Mitarbeiters zur Selbststeuerung messen?

 

Es beginnt mit einer simplen Frage, die Sie sich selbst stellen können: Wie hoch schätze ich die Fähigkeit des Mitarbeiters zur Selbststeuerung ein? Allein diese Frage wird Ihnen ganz neue Erkenntnisse liefern.

 

Natürlich können Sie den Mitarbeiter befragen aber noch besser ist es ihm eine Aufgabe zu geben und zu beobachten:

  • Setzt er sich Ziele?
  • Plant er Wege? Und wenn ja, wie: genau, grob, agil, etc.?
  • Überprüft er sich selbst bei der Ausführung?
  • Traut er sich Korrekturen vorzunehmen, wartet er ab oder handelt er, wenn Probleme auftreten?

 

Schauen Sie weniger darauf, welches Ergebnis er erreicht, als wie er versucht das Ziel zu erreichen. Das sagt ihnen etwas über seine Selbststeuerungsfähigkeit.

 

Erhebung der Selbststeuerung in Einstellungsgesprächen

 

In Einstellungsgesprächen ist eine direkte Beobachtung schwierig. An ihre Stelle muss dann eine Befragung treten, die zeigt, wie sich jemand in der Vergangenheit gesteuert hat.

Beispiele für Fragen:

  • Schildern Sie Ziele, die Sie sich in der Vergangenheit gesetzt haben (berufliche wie private, aktuelle wie historische)
  • Wie kamen Sie zu Ihrer Entscheidung? (aus dem Bauch, nach Beratung mit Freunden, nach ausgiebiger Recherche, etc.)
  • Wie sind Sie vorgegangen diese zu erreichen?
  • Gab es Prioritäten, die Sie setzen mussten? Was haben Sie zurückstellen müssen?
  • In welchem Ausmaß haben Sie das Ziel erreicht? Was waren die Konsequenzen, die Sie daraus gezogen haben?

 

Am besten fangen Sie gleich beim nächsten Einstellungsgespräch an oder gehen der Frage nach, wie ausgeprägt die Fähigkeit Ihrer bestehenden Mitarbeiter zur Selbststeuerung ist.

 

Viel Spaß und bis zum nächsten Mal!

 

 

 

* Nicht verschweigen will ich, dass in den letzten Jahren vermehrt Kritik an den ursprünglichen Experimenten Walter Mischels bzw. deren Schlussfolgerungen aufkam. Es konnte z.B. nachgewiesen werden, dass das Bildungsniveau der Herkunftsfamilie eine große Rolle spielte in der Fähigkeit das Essen des Marshmallows hinauszuzögern. Noch entscheidender war, wie vertrauenswürdig die Kinder den Psychologen fanden. Kinder alleinerziehender Mütter etwa misstrauten der Zusicherung des männlichen Psychologen, ein weiteres Marshmallow zu erhalten, eher, als Kinder aus „intakten“ Familien. Ihr Verhalten war weniger Ausdruck fehlender Selbstkontrolle, als fehlenden Vertrauens. Einfache Schlüsse, was aus einer Person wird, nur weil sie ein Marshmallow sofort isst, verbitten sich aber ohnedies. Für unseren zentralen Punkt, der Selbststeuerung mehr Aufmerksamkeit zu widmen, sind diese Einschränkungen aber kaum relevant.

ITO Führen mit Gewohnheiten

 

ITO Führen mit Gewohnheiten

 

Dass man Mitarbeiter motivieren und nicht nur Ziele setzen muss, leuchtet Führungskräften schnell ein. Nur leider mangelt es dann oft an guten Ideen, wie denn das Motivieren bewerkstelligt werden könnte. Ich bringe dann gerne als erstes eine Methode zur Motivierung, die aus meiner Sicht völlig vernachlässigt wird in der Führung, obgleich sie enorm wirksam ist.

 

Man kann den Wirkmechanismus am Beispiel des Zähneputzens gut nachvollziehen. Wie bringen Menschen die Motivation auf, zumindest 2x täglich zur Zahnbürste zu greifen und sich die Zähne zu putzen? Man könnte meinen: Weil wir wissen, dass wir sonst Karies oder Parodontitis bekommen, im schlimmsten Fall unsere Zähne frühzeitig verlieren. Das sind rationale Gründe, die einleuchten. Aber wenn ich mir gestern Abend gespart hätte die Zähne zu putzen, wären mir diese heute nicht gleich ausgefallen. Trotzdem habe ich mir brav wie jeden Abend die Zähne geputzt. Und das obwohl ich Zähneputzen relativ lästig finde. Wie lästig es ist, sieht man bei Kindern, die oft einen Aufstand darum machen, als würden sie massakriert. Auch für die Kinder haben wir all die schönen, rationalen Argumente. Sie erzielen nur leider nicht die gewünschte Wirkung, dass sie motiviert, vielleicht sogar intrinsisch motiviert, ihre Zähne putzen würden.

 

Uns Erwachsenen geht es im Übrigen oft nicht besser: Wir trinken Alkohol, rauchen, betreiben zu wenig Sport, essen zu viel Fleisch etc., obwohl wir genügend rationale Gründe kennen und uns vielleicht sogar schon diesbezügliche Ziele gesetzt haben. Und auch im Job gibt es nur allzu viele Dinge, die rational einleuchtend sind, für die es uns aber dennoch an Motivation dafür mangelt.

 

Warum also können wir für das Zähneputzen eine Motivation aufbauen und für manch anderes nicht?

 

Das motivatorische Zauberwort heißt »Gewohnheit«

 

Wir haben uns schlicht daran gewöhnt, es zu tun und würden es vermutlich selbst dann weiter tun, wenn der ein oder andere rationale Grund wegfallen würde. Vielleicht würde wir es sogar vermissen, wenn wir es einmal nicht mehr tun dürften. Das ist die sprichwörtliche Macht der Gewohnheit.

Dabei haben wir gelernt, eine bestimmte Situation so zu bewerten, dass wir eine bestimmte Gewohnheitshandlung setzen, z.B. Ich habe gerade gefrühstückt, ergo putze ich nun die Zähne. Die Gewohnheit ist als Motiv ebenso wie eine konkrete Handlung. Das Besondere: Sie erfordern keine rationale Entscheidung, sondern werden sozusagen automatisiert abgerufen.

 

Wäre das nicht toll, wenn Sie als Führungskraft in Mitarbeitern Gewohnheiten aufbauen könnten für all die Dinge, die diese nicht oder nicht so machen, wie es erfolgreicher wäre?

 

Bleibt die Frage, wie das konkret vonstatten gehen soll, denn eine Gewohnheit kann man leider nicht einfach anweisen.

Eins ist klar: Gewohnheiten taugen nicht für eine einmalige Motivierung, denn es braucht Zeit sie aufzubauen. Ist eine Gewohnheit erstmal etabliert, motiviert sie zum Handeln – aber damit eine Gewohnheit aufgebaut wird, braucht es zunächst andere Motivatoren, die das Verhalten so lange extrinsisch begünstigen, bis es in eine Gewohnheit übergangen ist und sich danach selbst aufrechterhalten kann.

 

Gewohnheiten als Führungsinstrument

 

Dazu braucht es:
1. Klarheit welches Verhalten überhaupt zur Gewohnheit werden soll und warum

  • Eine klar umrissene Situation, die als Auslöser für das Gewohnheitsverhalten dient (= Motiv)
  • Die Verhaltensschritte, die zur Gewohnheit werden sollen (= Weg)
  • Eine Belohnung, die auf das gezeigte Verhalten folgt und dieses positiv verstärkt (= Ergebnis)

2. Den Anstoß das Verhalten so lange zu zeigen, bis es zur Gewohnheit geworden ist

Schauen wir uns ein Beispiel an:

Sie wollen die Meetingkultur in Ihrem Team verbessern. Insbesondere das permanente Checken der Handys soll unterbleiben. Das Ergebnis wären produktivere Meetings und weniger Missstimmung.

In welcher Situation soll das Verhalten erfolgen: Zu Beginn von Meetings.

Welches Verhalten soll gezeigt werden: Handys werden ausgeschaltet.

Welche Belohnung folgt auf das Verhalten: Produktivere Meetings mit weniger Ablenkung.

 

Insbesondere zur Etablierung dieses Verhaltens ist Kreativität und echter Wille gefordert, z.B.:

  • Vereinbarung von Standards/Regeln: z.B.: Handys werden in Meetings ausgeschaltet.
  • Vereinbarung von Belohnungen/Bestrafungen: z.B.: Bei Missachtung zahlt man 1 € in die „Kaffee-Kasse“
  • Einführung von temporären Sachzwängen: z.B.: Handys werden vor dem Meeting eingesammelt.
  • Gemeinsames Tun: z.B.: Vor Beginn des Meetings wird aufgefordert, die Handys nun auszuschalten
  • Vorbild abgeben: z.B.: Die Führungskraft schaltet demonstrativ zu Meetingsbeginn ihr Handy aus

 

Die Anstöße zur Etablierung sollten irgendwann unnötig werden, wenn sich einmal die Gewohnheit ausgebildet hat und sich alle „einfach daran halten“.

 

Es gibt auch Dinge, die man unbedingt vermeiden sollte, wenn man Gewohnheiten aufbauen will:

  • Vereinbarung von zu ambitionierten/unrealistischen Verhaltensweisen
  • Vereinbarung von Verhaltensweisen die wesentlich von Faktoren bestimmt sind, die die Handelnden nicht verantworten
  • Gewähren von Ausnahmen

 

Nun sind Sie gefordert: Starten Sie damit, Gewohnheiten aufzubauen!

Und am besten beginnen Sie damit bei sich selbst, indem Sie Gewohnheit aufbauen für bessere Führung.

Viel Erfolg und bis zum nächsten Mal!

 

Weiterführende Literatur:

Charles Duhigg: Die Macht der Gewohnheit. warum wir tun, was wir tun. 1. Auflage. Berlin Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-8270-0957-9 (Originaltitel: The Power of Habit. 2012. Übersetzt von Thorsten Schmidt).

Oder besuchen Sie direkt den Blog von Charles Duhigg.

ITO - unmotivated employee

 

unmotivated employee

 

Führungskräfte klagen mir gegenüber oft über Mitarbeiter, die nicht genügend intrinsisch motiviert wären. Mit intrinsisch meinen sie: Es reicht den Mitarbeitern nicht, eine ihnen übertragene Arbeit einfach machen zu dürfen. Sie wollen auch noch etwas dafür bekommen. Nicht nur Geld, sondern auch Wertschätzung, Anerkennung, Karriereaussichten, usf. Als wäre die Aufgabe an sich nicht attraktiv genug.

„Wir brauchen andere Mitarbeiter“, sagen sie, „aber die finden wir leider nicht.“ Wegen diesem unseligen War for Talents.

Wie viel einfacher wäre der Job der Führung, wenn man diese sagenumwobenen Talente hätte, die einfach nur wegen ihrem intrinsischen Interesse an der Sache arbeiten, die sich selbst im Sinne des Unternehmens ausbeuten ganz altruistisch, nur weil sie die Arbeit so befriedigt. Was wäre das für eine schöne Welt! Die Realität sieht aber leider meist anders aus. Was also tun?

An dieser Stelle kommt vielen Führungskräften eine Idee, die sie dann konsequent verfolgen: Wir müssen den Mitarbeiter ändern, ihm diese Motivation einfach abverlangen, ihn notfalls zwingen, mit aller Macht. Und das versuchen sie dann, auch wenn sie darin scheitern und jeden Tag aufs Neue bewiesen bekommen, wie wenig sich Menschen ändern und ändern lassen wollen. Im schlimmsten Fall entsteht daraus Unzufriedenheit und innere Kündigung – aber selbst im besten wohl kaum Motivation.

 

Viele Möglichkeiten ein Ziel zu erreichen

 

Dabei gibt es eine Alternative, bei der allerdings all unsere Kreativität gefordert ist.

Das ist die Veränderung von Aufgaben, um sie motivierender zu machen.

Auf diese Idee kommen Führungskräfte aber oft nicht, weil die Aufgabe ja vermeintlich vorgegeben ist. Es muss ja eine bestimmte Aufgabe gemacht werden und man braucht nur jemanden, der sie erledigt. Eine Aufgabe ist aber nicht mehr als eine Möglichkeit zu einem Ziel zu gelangen. Es gibt unzählige Varianten dieser Aufgabe und unzählige Varianten zu dieser Aufgabe. Und während es unglaublich schwierig ist, den einen Mitarbeiter zu finden, der zu einer spezifischen Aufgabe passt, ist es vergleichsweise einfach eine Aufgabe zu gestalten, die zu den tatsächlich vorhandenen Mitarbeitern passt. Das heißt nicht zu fragen, „Wer ist intrinsisch für eine Aufgabe motiviert?“, sondern „Für was ist jemand intrinsisch motiviert, das zur Aufgabengestaltung verwendet werden kann?“.

 

Situationen gestalten statt Mitarbeiter verändern

 

Wenn also Aufgabe und Mitarbeiter nicht zueinander passen, muss nicht der Mitarbeiter, sondern sollte zunächst die Aufgabe verändert werden. Die Aufgabe wiederum ist Teil einer Situation, die zum Handeln anregt. So gesehen reicht es, eine Situation so zu gestalten, dass der Mitarbeiter selbst animiert ist, eine bestimmte Aufgabe wahrzunehmen.

 

Das klingt hoffentlich alles nachvollziehbar und trotzdem wahnsinnig kompliziert. Wahrscheinlich fragen Sie sich jetzt: Was mache ich konkret mit dieser Einsicht? Wie kann man sie praktisch umsetzen?

 

Ein Beispiel für motivierende Situationsgestaltung

 

Ein Beispiel soll Ihnen eine erste Idee geben:

Bei einem Kunden aus der Versicherungsbranche hatten die angestellten Makler nicht nur die Aufgabe Verkaufsgespräche zu führen, neue Kunden zu gewinnen und Potenzialausschöpfung bei bestehenden Kunden zu machen. Darüber hinaus sollten Sie die gesamte Kundenverwaltung erledigen, Briefe schreiben, Versicherungsfälle aufnehmen und bearbeiten sowie zu guter Letzt auch noch neue Makler rekrutieren.

Dieses breite Aufgabenportfolio führte in der Praxis dazu, dass insbesondere die Rekrutierung in den vielen Vertriebsgebieten vernachlässigt wurde. In anderen wiederum gab es Defizite in der Neukundengewinnung oder Kundenverwaltung.

 

In einer Analyse zeigte sich, dass unter den bestehenden Maklern nur etwa 5% für Personalakquisition motiviert waren. Weitere 20% hatten eine besondere Motivation für Verwaltungsaufgaben.

Mit dieser Information fiel die Lösung leicht:

Die bestehende Position „Makler“ wurde aufgeteilt. Nun gibt es „Recruiter“, die nur noch ihrer Passion Recruiting nachgehen. Es gibt „Verwalter“, die sich nur um die Kundenverwaltung kümmern. Und es gibt „Verkäufer“, die, entlastet von den Aufgaben, die sie noch nie mochten, sich nun voll und ganz auf den Vertrieb konzentrieren können.

Niemand wurde gezwungen, niemand musste motiviert werden, einzig die Situation wurde verändert.

 

Das ist motivierendes Leadership.

 

Bis bald