Führungskräfte klagen mir gegenüber oft über Mitarbeiter, die nicht genügend intrinsisch motiviert wären. Mit intrinsisch meinen sie: Es reicht den Mitarbeitern nicht, eine ihnen übertragene Arbeit einfach machen zu dürfen. Sie wollen auch noch etwas dafür bekommen. Nicht nur Geld, sondern auch Wertschätzung, Anerkennung, Karriereaussichten, usf. Als wäre die Aufgabe an sich nicht attraktiv genug.
„Wir brauchen andere Mitarbeiter“, sagen sie, „aber die finden wir leider nicht.“ Wegen diesem unseligen War for Talents.
Wie viel einfacher wäre der Job der Führung, wenn man diese sagenumwobenen Talente hätte, die einfach nur wegen ihrem intrinsischen Interesse an der Sache arbeiten, die sich selbst im Sinne des Unternehmens ausbeuten ganz altruistisch, nur weil sie die Arbeit so befriedigt. Was wäre das für eine schöne Welt! Die Realität sieht aber leider meist anders aus. Was also tun?
An dieser Stelle kommt vielen Führungskräften eine Idee, die sie dann konsequent verfolgen: Wir müssen den Mitarbeiter ändern, ihm diese Motivation einfach abverlangen, ihn notfalls zwingen, mit aller Macht. Und das versuchen sie dann, auch wenn sie darin scheitern und jeden Tag aufs Neue bewiesen bekommen, wie wenig sich Menschen ändern und ändern lassen wollen. Im schlimmsten Fall entsteht daraus Unzufriedenheit und innere Kündigung – aber selbst im besten wohl kaum Motivation.
Viele Möglichkeiten ein Ziel zu erreichen
Dabei gibt es eine Alternative, bei der allerdings all unsere Kreativität gefordert ist.
Das ist die Veränderung von Aufgaben, um sie motivierender zu machen.
Auf diese Idee kommen Führungskräfte aber oft nicht, weil die Aufgabe ja vermeintlich vorgegeben ist. Es muss ja eine bestimmte Aufgabe gemacht werden und man braucht nur jemanden, der sie erledigt. Eine Aufgabe ist aber nicht mehr als eine Möglichkeit zu einem Ziel zu gelangen. Es gibt unzählige Varianten dieser Aufgabe und unzählige Varianten zu dieser Aufgabe. Und während es unglaublich schwierig ist, den einen Mitarbeiter zu finden, der zu einer spezifischen Aufgabe passt, ist es vergleichsweise einfach eine Aufgabe zu gestalten, die zu den tatsächlich vorhandenen Mitarbeitern passt. Das heißt nicht zu fragen, „Wer ist intrinsisch für eine Aufgabe motiviert?“, sondern „Für was ist jemand intrinsisch motiviert, das zur Aufgabengestaltung verwendet werden kann?“.
Situationen gestalten statt Mitarbeiter verändern
Wenn also Aufgabe und Mitarbeiter nicht zueinander passen, muss nicht der Mitarbeiter, sondern sollte zunächst die Aufgabe verändert werden. Die Aufgabe wiederum ist Teil einer Situation, die zum Handeln anregt. So gesehen reicht es, eine Situation so zu gestalten, dass der Mitarbeiter selbst animiert ist, eine bestimmte Aufgabe wahrzunehmen.
Das klingt hoffentlich alles nachvollziehbar und trotzdem wahnsinnig kompliziert. Wahrscheinlich fragen Sie sich jetzt: Was mache ich konkret mit dieser Einsicht? Wie kann man sie praktisch umsetzen?
Ein Beispiel für motivierende Situationsgestaltung
Ein Beispiel soll Ihnen eine erste Idee geben:
Bei einem Kunden aus der Versicherungsbranche hatten die angestellten Makler nicht nur die Aufgabe Verkaufsgespräche zu führen, neue Kunden zu gewinnen und Potenzialausschöpfung bei bestehenden Kunden zu machen. Darüber hinaus sollten Sie die gesamte Kundenverwaltung erledigen, Briefe schreiben, Versicherungsfälle aufnehmen und bearbeiten sowie zu guter Letzt auch noch neue Makler rekrutieren.
Dieses breite Aufgabenportfolio führte in der Praxis dazu, dass insbesondere die Rekrutierung in den vielen Vertriebsgebieten vernachlässigt wurde. In anderen wiederum gab es Defizite in der Neukundengewinnung oder Kundenverwaltung.
In einer Analyse zeigte sich, dass unter den bestehenden Maklern nur etwa 5% für Personalakquisition motiviert waren. Weitere 20% hatten eine besondere Motivation für Verwaltungsaufgaben.
Mit dieser Information fiel die Lösung leicht:
Die bestehende Position „Makler“ wurde aufgeteilt. Nun gibt es „Recruiter“, die nur noch ihrer Passion Recruiting nachgehen. Es gibt „Verwalter“, die sich nur um die Kundenverwaltung kümmern. Und es gibt „Verkäufer“, die, entlastet von den Aufgaben, die sie noch nie mochten, sich nun voll und ganz auf den Vertrieb konzentrieren können.
Niemand wurde gezwungen, niemand musste motiviert werden, einzig die Situation wurde verändert.
Das ist motivierendes Leadership.
Bis bald