Bändigen Sie den Kritiker in sich

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ITO - Bändigen Sie den Kritiker

 

Im Rahmen eines Transformationsprojekts machte ich kürzlich folgende Erfahrung, die Sie sicherlich aus eigener Anschauung kennen. Ich moderierte einen Workshop, in dem Mitarbeitern neue, digitalisierte Prozesse vorgestellt wurden, die deren Arbeit beschleunigen und insbesondere ein Kundenerlebnis verbessern sollten. Im Projektteam waren alle überzeugt gewesen, dass diese einen echten Fortschritt darstellen und als Mehrwert begrüßt werden würden. Doch es kam anders: Anstatt dem Neuen mit Interesse und Offenheit zu begegnen, schalteten die Teilnehmer ihren inneren Kritiker auf höchste Stufe und lehnten das Vorgestellte schon ab, ehe sie es überhaupt verstanden hatten. Es war, als würden sie nur eine Frage diskutieren wollen: „Warum muss das der allergrößte Blödsinn sein?“

 

Genau deswegen braucht es ein gutes Change Management, könnte man meinen. Und das ist sicherlich richtig.

Was mich aber nachdenklich macht, ist, warum viele Menschen überhaupt so ablehnend geworden sind Neuem gegenüber. Es ist ja nicht so, als wären wir so auf die Welt gekommen. Wann ist uns denn diese Neugierde, diese Offenheit abhanden gekommen?

Ich kann mich auch nicht des Eindrucks erwehren, als hätte die heutige Arbeitswelt das noch einmal verstärkt. Ob der Vorgesetzte uns einen Rat gibt, der Kollege oder ein externer Experte… keinem trauen wir so viel zu, als dass wir uns nicht herausnehmen würden, das Gesagte in Frage zu stellen oder gleich kategorisch abzutun. Fremde Sichtweisen sind nicht interessant, sondern falsch.

Fakten stehen alternativen Fakten gegenüber, es ist alles sowieso volatil, unsicher, komplex und ambig (kurz VUKA), Thesen wird mit Antithesen begegnet, nur zur Synthese kommt es immer seltener. Die Diskussion um den Brexit ist wohl das traurigste Beispiel dieses Phänomens.

 

Ich bemerke bei mir selbst, dass ich oft sehr schnell mit meiner Kritik bin, wenn jemand mit einer Idee auf mich zukommt – natürlich aus gutem Grund, weil ich die Idee schlechter finde als meine eigene. Dabei ist es umgekehrt, als ich denke: Die andere Sicht nimmt mir nicht meine, sondern würde meine erweitern. Indem ich sie abtue, frustriere ich meine Gegenüber und zerstöre eine fruchtbare Diskussion.

 

Als ich letztens einer HR-Managerin begegnete, die neu in ihrer Position war und beschlossen hatte, erst alle bestehenden HR-Projekte kennenzulernen, ehe sie selbst Akzente setzen wollte, schwante mir deshalb Böses. Auf welche kritischen Fragen würde ich mich in dem von mir verantworteten Projekt einstellen müssen?

Es geschah aber nichts dergleichen. Sie begegnete mir nicht mit der Annahme „da hat mein Vorgänger sicherlich einen Unfähigen ausgewählt, der ein unbrauchbares Projekt managt und dem ich erstmal zeigen muss, was er alles schlecht macht“ – sondern interessierte sich ernsthaft für das Projekt und meine Erfahrungen. Daraus entspann sich in Folge eine Diskussion, in der sie eigene Erfahrungen einbrachte und wir gemeinsam daran arbeiteten, das Projekt noch besser zu machen. Wir hatten uns gegenseitig bereichert, anstatt in unserer festgefahrenen, eigenen Meinung zu verharren. Es war Motivation und Begeisterung entstanden anstelle von Frust.

 

Eigentlich wissen wir das alle und trotzdem verfallen wir allzu leicht in diesen negativ-kritischen Modus. Man kann es sich nur immer wieder vornehmen und wenn es doch wieder passiert, dessen gewahr werden und aussteigen daraus. Ich selbst will das unbedingt. Und ermuntere andere, mich gerne darauf aufmerksam zu machen, wenn ich einmal wieder zu schnell in den Modus des Kritikers verfalle.

 

Kritik braucht es. Keine Frage. Aber Kritik haben wir schon im Überfluss. Probieren wir es doch gemeinsam einfach mal aus und stellen eine neue Frage zu Beginn: „Was steckt Interessantes drin?“

 

Bis bald & be inspired