Viele Unternehmen, die schon vor der Corona-Pandemie aufgrund digitaler Veränderungen in Sorge um ihr Geschäftsmodell waren, sind es heute umso mehr. Sie verspüren einen enormen Druck, sich digital neu zu erfinden, alles in Frage zu stellen, die Flucht nach vorne anzutreten. Gefragt ist nicht mehr, was in der Vergangenheit funktioniert hat, sondern nur noch, was digital und zukunftsfähig ist.
Dieser Druck zur Veränderung hat nur etwas Fatales: Er forciert eine negative Sicht auf die Welt. Er bringt uns dazu, uns damit zu beschäftigen, was nicht ist, was wir nicht können, was andere besser machen, wo Gefahren lauern. Und gleichzeitig verlieren wir leicht aus den Augen, was wir können, was unsere DNA ist, wo die eigenen Stärken und Chancen liegen. Damit machen sich Verunsicherung und Lähmung breit, anstelle von Aufbruchsstimmung und Mut.
Um Motivation und Begeisterung für Veränderung zu wecken, reicht es nicht ein bedrohliches Bild der Zukunft zu zeichnen. Es braucht auch eine Idee und Überzeugung, etwas daran ändern zu können. Keine leeren Überredungsversuche à la »Wir schaffen das«. Sondern eine realistische Besinnung auf die eigenen Stärken und Möglichkeiten. Wenn wir es überhaupt schaffen, dann doch nur, indem wir uns verdeutlichen, was wir können, und uns überlegen, wer das brauchen könnte. Natürlich braucht es Veränderung und Anpassung.
Aber wäre es nicht besser anstatt »Wer braucht etwas, das wir nicht können« zu fragen »Wo braucht es das, was wir können?«. Und das dann als Ausgangspunkt zu nehmen und weiter zu spinnen, gerne auch zu digitalisieren?!
Ich will Ihnen dazu ein einfaches Beispiel geben:
Stellen wir uns vor, wir sind Inhaber einer Buchhandlung.
Was uns auszeichnet sind: örtliche Nähe zum Kunden, Sortiment, Ambiente, Beratungskompetenz. Unsere Kunden kommen zu uns, um in freundlicher Atmosphäre zu stöbern, sich beraten zu lassen, ein Geschenk zu kaufen.
Aber auch uns bedroht die digitale Revolution in Form von Internet, amazon und E-Books. Die Zukunft, hören wir, liegt im Digitalen. So heuern wir einen Digitalexperten an und der rät uns:
- Bauen Sie einen Webshop auf und bieten Sie Ihre Bücher zum Versand an
- Entwickeln Sie eine Leseapp und verkaufen Sie E-Books
- Entwickeln Sie ein Abomodell für Bücher
- Und natürlich: Trennen Sie sich von bisherigen Mitarbeitern und stellen Sie solche an mit Digitalkompetenz
Natürlich könnten wir das neue amazon werden.
Aber wir werden wahrscheinlich erstmal (oder auch für immer) alles schlechter können als der Internetriese. Denn alles, was den auszeichnet, fehlt uns ja. Am Ende verlieren wir noch das, was Kunden bislang an uns geschätzt haben.
Was aber haben wir, auf das sich aufbauen lässt?
Wir haben Personal, das Bücher liebt, sie liest und gerne mit anderen darüber redet.
Wir haben Räume, in denen wir Menschen zusammenbringen können.
Wir haben Kunden, die noch ganz andere Interessen haben, als schnell ein E-Book zu kaufen.
Vielleicht werden wir nach Corona einmal ein Kulturzentrum sein. Oder ein Café für Intellektuelle. Ein Bücher-Museum. Vielleicht bieten wir noch andere Dinge als Bücher an. Es kann gut sein, dass wir Teile des Geschäfts digitalisieren. Im Zentrum aber sollte immer etwas stehen, das wir können. Und nicht etwas, das wir nur gerne wären. Das ist digital mindset!
Wenn Sie an Ihr eigenes Unternehmen denken: Wie gut gelingt es Ihnen, Ihre Stärken zu digitalisieren?