Business as usual

Wollen wir überhaupt so weitermachen wie zuvor?

Ich habe lange nichts geblogged, weil mir schien: In dieser existenziellen Krise möchte ich lieber nichts sagen als etwas Belangloses. 

In den letzten Tagen habe ich jedoch eine Sorge entwickelt, die es mir wert scheint, sie mit anderen zu teilen. 

Diese hat nichts mit der Krise an sich zu tun, als mit der Frage, was wir aus ihr lernen. 

 

Was mich in den letzten Wochen am meisten erstaunt hat, ist, wie leicht wir uns als Gesellschaft taten, unser privates wie berufliches Leben von einem Tag auf den anderen komplett umzustellen. Da war sie einmal, die vielfach geforderte Veränderungsbereitschaft. Nicht nur „Yes we can“, sondern „Yes we do“. Kaum gab es einen Aufschrei angesichts der großen Einschnitte in unser privates wie berufliches Leben, die wir alle hinnehmen mussten. Statt dessen haben wir uns angepasst, haben Lösungen für die neue Situation gefunden, haben nicht nur über Change und Transformation philosophiert, sondern uns tatsächlich verändert. Das ist das Wunderbare an uns Menschen. Diese Wandlungsfähigkeit, wenn sie nur wirklich gefordert ist. 

 

Umso mehr wundert es mich, wenn sich nun bei den ersten Lockerungen schon wieder die Stimmen mehren, bald könnten wir wieder zurück gehen zu unserem alten, gewohnten (Arbeits-)Leben. Business as usual. 

Die Frage, die sich mir hingegen stellt, ist: Wollen wir überhaupt so weitermachen wie zuvor? 

 

Hat nicht diese Krise gezeigt: Wenn wir nur wollen, geht es auch anders? 

Was haben wir uns vergeblich angestrengt den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Und siehe da: Es geht doch! Wir müssen nicht permanent in der Weltgeschichte herumfliegen, kleinste Besorgungen mit dem Auto machen. Wir haben nicht nur die Technik für Videokonferenzen – man kann sie auch tatsächlich produktiv und effektiv nutzen! Im Übrigen nicht nur zum Wohle der Umwelt: Was wurden in den letzten Wochen Reisezeiten gespart! All der Stress, um rechtzeitig von einem Ort zum nächsten zu gelangen. All die Verspätungen, die wir und diejenigen, die auf uns warten, sonst erdulden müssen. 

 

Ich denke auch an die vielen Berufsgruppen im Gesundheitswesen, der Altenpflege, Kinderbetreuung, Schulen, aber auch die Mitarbeiter in den Supermärkten, deren großen Wert für die Gesellschaft wir endlich einmal wieder gesehen haben, die wir als Helden bejubelt haben, denen wir einen Bonus zahlen wollten. War das nur eine Momentaufnahme, ein äußert flüchtiger Zeitgeist? 

 

Viele sind sich auch der eigenen Sterblichkeit bewusst geworden und haben sich grundlegende Fragen gestellt wie: Bin ich eigentlich richtig in meinem Job? Ist es das, was ich wirklich machen möchte? Oder auch: Habe ich die richtigen Prioritäten in meinem Leben gesetzt? All die großen Fragen, für die man sonst nie Zeit hat, plötzlich waren sie da, drängten sich auf. In all der Düsternis tauchten Visionen auf von einem anderen Leben, einer größeren Erfüllung, vielleicht auch von einer Rückbesinnung auf das, was wirklich wichtig ist. 

Und jetzt? Ist das alles schon wieder weg? Puh, noch mal Glück gehabt!? 

 

Wenn sich nun also der Lockdown wieder lüftet, bleibt für mich die Frage: Wollen wir wirklich, ganz sicher, so weitermachen wie zuvor? 

Oder nicht doch besser noch einen Moment innehalten und überlegen: Was können wir lernen aus dieser Krise? Was wollen wir anders machen, auch wenn wir es nicht mehr müssen? 

Das ist eine Chance. Für unsere Regierung. Für die Unternehmen. Für Führungskräfte. Für jeden einzelnen. 

Machen wir was draus. 

Open Leadership

ITO Open Leadership

Die smarte Alternative zu agiler Führung

ITO Open Leadership

Manchmal sind es kleine Dinge, die einen auf etwas viel Größeres aufmerksam machen.

Eine Trainerin fragte mich kürzlich, ob sie oder ihr Co-Trainer den Lead in einem Training übernehmen sollte.

Sie war die externe Vertriebstrainerin, er ein interner Fachexperte.

Ihr schien die Sache klar: Da er der interne Vertreter war, sollte er auch den Lead haben.

Aber das kann man natürlich auch anders sehen: Immerhin war sie die externe Trainingsspezialistin, die ja genau dafür eingekauft worden war: dafür zu sorgen, dass das Training gut läuft.

„Können wir nicht beide im Lead sein?“ fragte sie.

„Schon, aber was, wenn es zu einer brenzligen Situation kommt? Braucht es dann nicht doch einen, der mehr im Lead ist?“

Diese kleine Diskussion findet so oder so ähnlich sicherlich in vielen Organisationen statt, die Hierarchie zu Gunsten von Agilität abgebaut haben.

Die agile Führung lässt weitgehend das Team entscheiden. Aber was, wenn dann wichtige Entscheidungen von niemanden getroffen werden?

Kehrt man dann einfach wieder zur autoritären Führung zurück? Zumindest temporär?

Oder hat die ganze agile Führung, ehe sie wirklich Fuß gefasst hat, schon wieder ausgedient?

In der Tat löst das Wort „agil“ mittlerweile bei vielen schon großen Widerwillen aus. Und der „agilen Führung“ wird sowieso mit sehr viel Skepsis begegnet. Wobei die Reaktionen irgendwo zwischen „Wie soll das funktionieren?“ und „Ist das überhaupt etwas Neues?“ liegen.

Diese Skepsis kommt mir berechtigt vor.

Gut, dass in den letzten Jahren noch ein anderes Konzept entstanden ist, das meiner Ansicht nach wesentlich mehr Aufmerksamkeit verdient hätte: Open Leadership.

Was ist Open Leadership?

Open Leadership baut auf der Überzeugung auf, dass in jedem Menschen Führungspotenzial steckt. Und dass jeder Mensch in bestimmten Situationen der geeignetste ist, um sich selbst und/oder andere zu führen.

Führung ist deshalb bei Open Leadership keine Stelle, sondern eine Funktion, die dynamisch verteilt wird. Dabei wird situativ Führungsbedarf geklärt und wie er am besten gedeckt werden kann – durch den Open Leader oder andere. Es ist daher maximal partizipativ. Entscheidungen können und sollen möglichst dort getroffen werden, wo am meisten Kompetenz dafür ist. Darin folgt sie dem Grundgedanken der Agilität.

Aber anders als bei agilen Organisationsformen wird Führung nicht einfach ans autonome Team abgegeben. Bei Open Leadership gibt es nach wie vor hierarchische Führungskräfte, bei denen auch die letztendliche Verantwortung bleibt, z.B. für ausreichende Motivation und Steuerung zu sorgen. Anstatt aber den kompletten Bedarf an Führung selbst decken zu wollen, bringt der Open Leader wo immer möglich andere, und insbesondere besser geeignete, ins Leadership.

Bei Open Leadership ist also immer klar, wer im Zweifelsfall entscheidet.

Aber es ist genauso klar, dass wer normalerweise entscheidet keine Frage der Hierarchie, sondern eine Frage der Kompetenz ist.

Open Leadership ist also eine Führung,

  • die nicht hierarchisch zementiert ist, sondern offen
  • in der nicht immer die Führungskraft führt, sondern wer am besten geeignet ist
  • in der nicht nur jeder sich selbst führt, sondern andere, ebenso wie die Führungskraft sich auch von einem Mitarbeiter führen lässt
  • in der der Mitarbeiter auch Entscheidungen für andere treffen können
  • in der es aber auch Führungskräfte gibt, die sicherstellen, dass ausreichend geführt und entschieden wird

Was macht die Führungskraft als Open Leader?

  • Sie prüft den Führungsbedarf und sorgt dafür, dass dieser gedeckt wird durch den am besten Geeigneten.
  • Sie bringt Entscheidungen an die Stelle, an denen die dafür größte Kompetenz vorhanden ist, und lässt entscheiden.
  • Nicht selten lässt der Open Leader sogar darüber andere entscheiden, was er selbst tun soll.
  • Sie weiß dabei, dass sie die letztendliche Verantwortung behält und immer dahin selbst entscheidet, wenn niemand anderes es tut.
  • Damit das funktioniert, ist der Open Leader auch dafür verantwortlich, Open Leadership in die Organisation zu tragen.

Zurück zu meinem kleinen Beispiel vom Beginn.

Was heißt das für die Frage, wer von zwei Trainern den Lead in einem Training haben soll?

Ich denke so: Einer sollte in die Rolle des Open Leaders schlüpfen und Sorge dafür tragen, dass möglichst stets derjenige im Lead ist, der für einen Part der geeignetere ist. Läuft alles glatt, fällt das gar nicht groß auf: Beide übernehmen gerne Teile und lassen sich gegenseitig viel Raum. Entsteht aber einmal eine Situation, in der ein Führungsvakuum entsteht, weil niemand den Lead bei sich sieht, übernimmt der Open Leader diese Verantwortung.

Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Open Leadership ist keine Technik, die man einfach mal anwendet. Es bedarf einer echten Transformation, um eine Open Leadership Culture zu schaffen. Ich halte das aber für die smartere und nachhaltigere Veränderung, als lediglich auf Agilität in der Führung zu setzen.

Schreiben Sie mir, wenn Sie das auch so sehen. Und lassen Sie uns austauschen, wie wir mehr Open Leadership in Organisationen hineintragen können!

 

 

How to do more with less

 

Every year starts with the same articles on New Year’s resolutions: How to kick bad habits and become a better version of oneself.

I guess there’s nothing wrong with that: Better to think about one’s life once a year than never.

So, we make plans and try to execute those and fail – at least in part – and fall back into old habits. And next year it’s the same old story all over.

So, I have one suggestion for this year: Don’t think about what you should do more. Because that is really difficult, and you will probably not achieve that. Simply because life’s short and there’s too much to do and never enough time.

I am convinced that we don’t do too little. It’s rather that we try to do too much. And that leads us to doing everything a little and nothing much.

 

Think instead about what you want to do less – in five easy steps:

  1. Make a list of all the things you do and think you should be doing.
  2. Then prioritize them: The most important things on top, the least important to the bottom. Don’t overthink this step. Follow your intuition.
  3. Then apply the old 20/80 rule but upside down: Draw a dash separating the top 80% from the bottom 20%. Scrap the to do’s at the bottom. You will not plan to do these anymore. You might not stop doing them altogether, but they will always be last. Only when you’ve done everything else, will you turn to these. So probably you will never get to them. But don’t worry. The time you save on those low-priority items will be free for the things that are really important. And this is how you will do more with less!

 

To help you with that, you can use this simple document: Print it out and have fun with it!

 

Good luck!

 

 

 

 

 

 

 

Der Traum vom selbstgesteuerten Team

In vielen Diskussion rund um agile Führungskonzepte höre ich immer wieder, dass die „klassische Führung“ ausgedient hat. Propagiert wird das Team, das sich weitgehend selbst steuert und in dem jeder – je nach Situation – Steuerung übernehmen kann. Ich sage bewusst „Steuerung“, denn ich sehe das lediglich als einen Teil der Führung an. Unstrittig ist dabei, dass in einer hochspezialisierten, sich schnell verändernden Arbeitswelt die Führungskraft nicht mehr der allwissende Manager sein kann, sondern viel Steuerung an diejenigen abgibt, die Experte ihres Fachs sind. Oder um es mit Steve Jobs zu sagen: „It doesn’t make sense to hire smart people and tell them what to do“. 

Das hat die agile Führung gut erkannt und damit viel unseliges Micromanagement aus der Welt geschafft. 

 

Bedarf an fachlicher und disziplinarischer Führung

Dabei ist das eigentlich gar nichts Neues. In den meisten Unternehmen werden schon lange zwei Arten von Führung praktiziert: Die fachliche und die disziplinarische. 

Nichts anderes meint agile Führung, wenn sie propagiert, dass nicht immer nur die Führungskraft, sondern jeder führen kann und soll, je nach Anlass und notwendiger Expertise. Der selbstgesteuerte Experte ist die fachliche Führungskraft – niemand kann sie fachlich besser steuern als sie sich selbst. Und sie ist auch die geeignetste, um andere in ihrem Fachthema zu steuern. 

Warum uns das bei der agilen Führung dennoch so neu vorkommt, liegt wohl daran, dass diese an sich sinnvolle Aufteilung in fachliche und disziplinarische Führung in der Vergangenheit nicht sehr konsequent stattgefunden statt. 

Da wurde der beste Facharbeiter nicht nur zur fachlichen Führungskraft, sondern gleich auch mit zur disziplinarischen – ohne aber vielleicht dafür überhaupt geeignet oder qualifiziert zu sein. 

Umgekehrt wurden mitunter disziplinarische Führungskräfte rekrutiert (gerne von extern), die gleichzeitig fachlich führen sollten – ohne aber dafür die notwendige Expertise mitzubringen. 

 

Die Abschaffung der Führung

Dieses Dilemma scheint mir nun so gelöst zu werden, dass man die disziplinarische Führung in weiten Teilen ganz einfach abschafft. 

Jeder will nur noch fachlicher Leader sein oder gar komplett selbstgesteuert. Damit geht aber eine entscheidende Funktion verloren. Und das mit Folgen: 

Immer öfters werde ich als Berater in Situationen hinzugezogen, in denen ganz offensichtlich eines fehlt: Führung. Und auch wenn ich mich über Aufträge nie beschweren möchte, sehe ich doch ein wachsendes Vakuum entstehen, das die Unternehmen doch lieber selbst füllen sollten, als es an externe Berater zu delegieren. 

Es braucht sie noch: Die Führungskraft, die entscheidet, auch wenn es nicht alle gut finden, die dafür sorgt, dass auch ungeliebte Dinge gemacht werden, die Konflikte aufgreift und schlichtet, die sich um Mitarbeiter kümmert und Karrieren entwickelt, die eine Vision und Strategie durchsetzt. 

Und nur weil sie in der Vergangenheit nicht alles immer so perfekt gemacht hat, heißt dies noch lange nicht, dass sie deshalb komplett obsolet geworden wäre. 

 

Agile Führung darf und soll auch Führung sein

Indem die agile Führungskraft sich aus der fachlichen Führung weitgehend heraushält und sich eher als Unterstützer der Selbststeuerung von Individuen wie auch Teams definiert, aktiviert sie fachliche Steuerungsressourcen auf Mitarbeiterebene. Denn dafür braucht es schlicht keine Führungskraft, solange der Mitarbeiter nur über die notwendige Expertise und Verantwortung verfügt. Damit wird sie noch freier, sich um die Führung zu kümmern, die nur von außen kommen kann. 

Dafür braucht es dann auch wieder Menschen, die wirklich führen wollen und nicht nur fachlich. Die zukünftige Führungskraft ist dabei nicht mehr der „heroische Anführer“, sondern findet sich ein in ein System an gemeinschaftlicher Führung, das sich bewusst ist, so jemanden auch zu brauchen. 

 

Die Frage ist also nicht: Hat Führung ausgedient? 

Sondern: Welche Führung braucht es und wer kann diese am besten ausfüllen? 

 

 

 

Wahrscheinlich kennen Sie die berühmten Marshmallow-Experimente, die der Psychologe Walter Mischel Ende der 1960er Jahre durchführte: Er gab Kindern z.B. ein Marshmallow und sagte Ihnen „Wenn ihr das Marshmallow nicht esst, bis ich wiederkomme, bekommt ihr noch ein zweites.“ Während es einigen Kindern gelang, sich selbst zu kontrollieren, konnten andere nicht der Versuchung widerstehen, das Marshmallow gleich zu essen. Als er die gleichen Testpersonen Jahrzehnte später wieder befragte, zeigte sich: Diejenigen, die ihr Verlangen kontrollieren konnten, hatten im Schnitt ein höheres Bildungsniveau, mieden Drogen und hatte auch einen niedrigeren Body-Mass-Index. Die Fähigkeit zur Selbstkontrolle bei so etwas Simplem wie Essensverzicht ermöglichte statistisch signifikante Prognosen.*

Umso erstaunlicher ist, wie wenig Bedeutung bis heute der Selbststeuerungsfähigkeit in Einstellungsprozessen zugemessen wird. Kaum ein Assessment enthält Übungen, die gezielt Selbststeuerung oder Selbstkontrolle messen, ganz zu schweigen von Interviews. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass in traditionellen Führungsmodellen die Fähigkeiten zur Selbststeuerung vermeintlich weniger wichtig war – es gab da ja immer noch die Führungskraft, die für eine notwendige Steuerung sorgen konnte.

In heutigen agilen Arbeitswelten wird jedoch aus gutem Grund die Selbststeuerung als wesentliche Voraussetzung für effektives Arbeiten propagiert. Was muss nun jemand mitbringen, der über diese Fähigkeit verfügt? Und wie könnten man sich dessen versichern in Einstellungsverfahren? Diesen Fragen wollen wir hier nachgehen.

 

Was ist eigentlich Selbststeuerung?

 

Selbststeuerung ist die Fähigkeit Motive zu priorisieren, Ziele zu entwerfen, Handlungspläne zu entwickeln und diese in kontrollierten Schritten umzusetzen, bis das Ziel erreicht ist oder aufgegeben werden muss.

Hieraus folgt eine zunächst überraschende Erkenntnis: Jeder Mensch verfügt grundsätzlich über die Fähigkeit zur Selbststeuerung. Schon das Kleinkind ist in der Lage, etwa Hunger zu erkennen, sich das Ziel zu setzen etwas zu Essen und Schritte zu unternehmen den Hunger zu stillen, sei es durch Schreien, Weinen, oder auch dem Gang zum Kühlschrank.

Was meinen wir dann, wenn wir sagen: Jemand ist selbstgesteuerter als jemand anderes?

 

Stellen wir uns zwei Berufsanfänger vor. Während der eine abends Management-Literatur liest, sieht der andere Unterhaltungssendungen. Beide habe Motive, die sie erfolgreich befriedigen. Vielleicht würde sich aber auch derjenige, der abends noch büffelt, lieber entspannen. Was ihn unterscheidet, ist, dass er bestimmte, kurzfristige Motive zurückstellen kann, um andere längerfristige zu erreichen. Auch unser zweiter Mitarbeiter verfügt aber möglicherweise über eine hohe Selbststeuerung: Er will vielleicht nur keine Management-Karriere machen.

Das heißt: Ob jemand eine ausgeprägte Fähigkeit zur Selbststeuerung hat, können wir nur beurteilen, wenn wir seine Ziele kennen und Beispiele, in denen er auf bestimmte, kurzfristige Dinge verzichtet hat, um längerfristige zu erreichen. Wer wirklich Karriere machen will, sollte gewillt sein, andere Dinge hintenanzustellen. Sein Wille sollte sich ausdrücken in seinen Handlungen.

Selbststeuerung heißt aber nicht nur Motive zu priorisieren. Wir können uns auch vorstellen, dass beide dem Ziel der Karriere alles unterordnen und Verzicht üben. Trotzdem gelingt es vielleicht dem einen, einen gangbaren Weg zu planen, während der andere planlos auf sein Ziel zuläuft. Und selbst wenn beide einen Plan haben, kann es immer noch sein, dass einer sich selbst genau kontrolliert während der Umsetzung, während der andere abarbeitet, ohne sich darum zu kümmern, ob denn Zwischenziele auch erreicht werden.

 

Wie kann man die Fähigkeit eines Mitarbeiters zur Selbststeuerung messen?

 

Es beginnt mit einer simplen Frage, die Sie sich selbst stellen können: Wie hoch schätze ich die Fähigkeit des Mitarbeiters zur Selbststeuerung ein? Allein diese Frage wird Ihnen ganz neue Erkenntnisse liefern.

 

Natürlich können Sie den Mitarbeiter befragen aber noch besser ist es ihm eine Aufgabe zu geben und zu beobachten:

  • Setzt er sich Ziele?
  • Plant er Wege? Und wenn ja, wie: genau, grob, agil, etc.?
  • Überprüft er sich selbst bei der Ausführung?
  • Traut er sich Korrekturen vorzunehmen, wartet er ab oder handelt er, wenn Probleme auftreten?

 

Schauen Sie weniger darauf, welches Ergebnis er erreicht, als wie er versucht das Ziel zu erreichen. Das sagt ihnen etwas über seine Selbststeuerungsfähigkeit.

 

Erhebung der Selbststeuerung in Einstellungsgesprächen

 

In Einstellungsgesprächen ist eine direkte Beobachtung schwierig. An ihre Stelle muss dann eine Befragung treten, die zeigt, wie sich jemand in der Vergangenheit gesteuert hat.

Beispiele für Fragen:

  • Schildern Sie Ziele, die Sie sich in der Vergangenheit gesetzt haben (berufliche wie private, aktuelle wie historische)
  • Wie kamen Sie zu Ihrer Entscheidung? (aus dem Bauch, nach Beratung mit Freunden, nach ausgiebiger Recherche, etc.)
  • Wie sind Sie vorgegangen diese zu erreichen?
  • Gab es Prioritäten, die Sie setzen mussten? Was haben Sie zurückstellen müssen?
  • In welchem Ausmaß haben Sie das Ziel erreicht? Was waren die Konsequenzen, die Sie daraus gezogen haben?

 

Am besten fangen Sie gleich beim nächsten Einstellungsgespräch an oder gehen der Frage nach, wie ausgeprägt die Fähigkeit Ihrer bestehenden Mitarbeiter zur Selbststeuerung ist.

 

Viel Spaß und bis zum nächsten Mal!

 

 

 

* Nicht verschweigen will ich, dass in den letzten Jahren vermehrt Kritik an den ursprünglichen Experimenten Walter Mischels bzw. deren Schlussfolgerungen aufkam. Es konnte z.B. nachgewiesen werden, dass das Bildungsniveau der Herkunftsfamilie eine große Rolle spielte in der Fähigkeit das Essen des Marshmallows hinauszuzögern. Noch entscheidender war, wie vertrauenswürdig die Kinder den Psychologen fanden. Kinder alleinerziehender Mütter etwa misstrauten der Zusicherung des männlichen Psychologen, ein weiteres Marshmallow zu erhalten, eher, als Kinder aus „intakten“ Familien. Ihr Verhalten war weniger Ausdruck fehlender Selbstkontrolle, als fehlenden Vertrauens. Einfache Schlüsse, was aus einer Person wird, nur weil sie ein Marshmallow sofort isst, verbitten sich aber ohnedies. Für unseren zentralen Punkt, der Selbststeuerung mehr Aufmerksamkeit zu widmen, sind diese Einschränkungen aber kaum relevant.