Ich erlebe in OKR-Beratungen oft folgende Phasen:

Phase 1: Euphorie

Jemand in der Firma hat John Doerrs Buch Measure What Matters gelesen, seinen TED-Talk gesehen oder einen anderen OKR Ambassador erlebt. Und nun berichtet er/sie anderen von dem „neuen Managementsystem“, mit dem Google so erfolgreich geworden ist, und schnell ist eine Überzeugung da: Das wollen wir auch haben!

Phase 2: Erste Zweifel

Die meisten Unternehmen probieren dann erst einmal, OKR, mehr oder weniger, im Alleingang einzuführen. Das System klingt simpel genug. Indem mehr Menschen im Unternehmen involviert werden, kommen auch erste kritische Stimmen auf. Und sowohl beim Erarbeiten der tatsächlichen OKR, als auch bei der Frage, wie genau das mit dem bottom-up und sideways funktionieren soll, wird deutlich, dass es doch nicht ganz so einfach ist.

Phase 3: Neuer Versuch mit einem Berater

Das ist meist der Moment, in dem erfahrene OKR-Berater hinzugezogen werden. Nun werden Workshops und Trainings durchgeführt, Prozesse definiert, Tools eingeführt und OKRs systematisch definiert. Dabei steht meist das Methodische im Vordergrund. Über mehrere Quartale, in denen der Prozess stark durch Berater moderiert wird und eine hohe Management-Attention auf dem Thema liegt, spielt sich so ein Vorgehen ein.

Man formuliert OKRs nun richtig. Nur leider ist damit noch lange nicht gesagt, dass diese OKRs auch die richtigensind.

Phase 4: Mittelfristige Ernüchterung

So passiert es nur allzu häufig, dass nach der mühsamen Einführung von OKR eine Ernüchterung eintritt: Werden nun tatsächlich ambitioniertere Ziele gesetzt und auch tatsächlich erreicht? Ziehen alle nun an einem Strang und stimmen sich perfekt ab? Ist eine neue Kultur des gemeinsamen Wollens entstanden? Leider müssen viele feststellen: eher nein. Das bringt sie nicht gleich dazu, OKR wieder abzuschaffen, aber die Euphorie des Beginns weicht dann doch eher einer Ernüchterung.

Das ist schade, denn die Erwartungen, die in ORK gesetzt werden, sind durchaus berechtigt. Die Ernüchterung hingegen ist das Resultat eines Missverständnisses und dieses möchte ich gerne genauer beleuchten.

Jedes Zielsystem – und OKR ist da leider keine Ausnahme – kann nur so gut sein, wie die Menschen, die es anwenden. Fehlendes Know-why, Know-what oder Know-how kann niemals durch ein System oder eine Methode kompensiert werden. Und wenn Unternehmen ernüchtert feststellen, dass ihre OKRs doch nicht so durchdacht und brauchbar sind, dann liegt das vermutlich weniger am OKR-System, als an der Befähigung von Führungskräften und Mitarbeitern, bessere Ziele zu erarbeiten. Das ist jedoch weniger eine methodische Kompetenz, die man in einem OKR-Webinar vermitteln könnte. Auch OKR Champions fehlt es meist an inhaltlicher Expertise, um hier wirklich unterstützen zu können.

Die richtigen Ziele zu entwickeln, ist schwer. Und es braucht Zeit – jedes Quartal aufs Neue. Ohne regelmäßige Unterstützung und Feedback schaffen es nur die wenigsten Führungskräfte, die notwendige Zeit und Anstrengung auf sich zu nehmen.

Was es hier braucht, ist echtes Leadership und eine Führung, die motivieren, beraten und moderieren kann – und sich dafür die Zeit nimmt.

Unterstützen können dabei erfahrene Coaches/Berater, deren Kompetenz nicht nur im methodischen liegt, sondern die sich auch inhaltlich einbringen können.

Es gibt keinen Grund ernüchtert zu sein: Die große Partizipation und Transparenz von OKR wird auf allen Ebenen helfen, bessere Ziele zu erarbeiten und zu verfolgen. Aber es braucht auch eine neue Führungskultur, um zu wirklich guten Zielen zu kommen.