Letztens erzählte mir ein Kollege, in seiner Company würden sie nun auch komplett New Work machen. Auf Nachfrage erläuterte er: „Wir haben z.B. einen neuen Meetingraum. Da liegen nur ein paar Euro-Paletten rum und ein Kickertisch. Und natürlich ein riesiger Flat Screen.”
„Und was macht ihr da so?”, fragte ich unbedarft.
„Na ja, wir machen jetzt halt auch auf Start-up. Disruptiv und so. Nicht mehr Schreibtisch und PC, sondern Tablet…” Er hielt inne und ich ergänzte „und Euro-Paletten”. „Ja, genau, naja, das mit den Paletten ist halt mehr so ein Gag. Mit dem Anzug drauf setzen ist natürlich nicht so. Und bequem ist natürlich auch etwas anderes. Aber… eben.” Ich nickte. „Klar, man muss mit der Zeit gehen.”
Wenn ich heute Unternehmen besuche, sehe ich immer öfter smarte Großraumbüros ohne feste Arbeitsplätze, Meetingecken die an Wohnzimmer erinnern, Kabinen mit Videoscreens, an denen man virtuell mit anderen arbeiten kann, und natürlich den obligatorischen Kickertisch. Alle wollen aussehen wie ein Start-up.
Doch die Kickertische stehen schnell unbenutzt in einer Ecke, das smarte Arbeiten im Großraumbüro hat zur digitalen Strandtuch-Belegung eines Platzes geführt und die Begeisterung der Mitarbeiter, wenn sie erst einmal so arbeiten, lässt schnell spürbar nach.
Alle reden von New Work. Aber wo es ist, sehnen sich viele wieder nach dem Alten. Was war denn gleich noch mal der Purpose von New Work?
Ein Besuch im Start-up Hub „Werk1” in München
Zur Beantwortung dieser Frage besuchte ich das Start-up Hub „Werk 1” in München. In der Tat begegnete ich hier allem, was ich auch aus Großunternehmen kannte: gemeinsame Büros auf engem Raum, Möbel aus dem Wohnzimmer, Getränkekästen als Sitz umfunktioniert.
„Wieso habt ihr euch so eingerichtet”, wollte ich wissen, „inwiefern fördert dies agiles Arbeiten?” Ein Gründer antwortete: „Das ist ganz einfach: Wir haben diesen kleinen Raum und diese alten Möbel, weil wir uns ganz einfach nichts Besseres leisten können.” Ich war überrascht. „Aber dafür seid ihr hier Büro an Büro mit vielen anderen Start-ups. Da könnt ihr sicherlich ideal netzwerken und kollaborieren.” „Das kommt schon vor,” wurde ich auch hier desillusioniert, „aber mit denen haben wir doch so wenig gemeinsam, dass man eher mal am Abend ein Bier gemeinsam trinkt, als dass wir uns gegenseitig inspirieren.” „Und arbeitet ihr viel vom Home Office aus?« Auch hier erhielt ich eine differenzierte Antwort: „Manche arbeiten schon von Zuhause, aber für Abstimmungen kommen sie dann schon rein, das ist uns sonst zu umständlich. Die meisten kommen aber doch ins Büro. Da kann man dann doch konzentrierter arbeiten als Zuhause.”
Ist New Work auch schon wieder Old News?
Nein. Es ist gut und wichtig über neues Arbeiten nachzudenken, Dinge zu verändern, auszuprobieren, offen zu sein für die Möglichkeiten, die uns insbesondere auch die Digitalisierung ermöglicht. Es macht allerdings keinen Sinn, einfach so zu tun, als wäre man ein Start-up.
Es war ja auch cool, als Student backpacking durch Europa zu machen. Keine Kohle, kein Auto, nur Zeit und nichts zu verlieren. Aber mal ehrlich: Wann haben Sie das letzte Mal den Gedanken erwogen backpacking wohin auch immer zu machen?
Ein paar Euro-Paletten schaffen noch keinen Gründergeist. Und Mitarbeiter, die jahrelang im Einzelbüro zufrieden waren, werden nicht gleich begeisterte Co-Worker, wenn man ihnen das Liebgewonnene wegnimmt.
New Work muss Sinn machen und einen Zweck erfüllen. Wo Silodenken vorherrscht, mag ein auch physisches Aufbrechen der Silos Sinn machen. Das Großraumbüro ist dann aber auch nur eine von vielen Möglichkeiten. Flexible Arbeitszeiten ziehen Mitarbeiter an, die z.B. eine junge Familie oder ein ausgeprägtes Hobby haben – aber nicht jeder Mitarbeiter und nicht jede Abteilung profitiert automatisch davon, wenn die Mitarbeiter nur noch sporadisch vorbei schauen.
Lassen Sie sich also vom Silicon Valley und der Gründerszene inspirieren.
Und dann machen Sie Ihr eigenes Ding, das zu Ihnen und Ihren Mitarbeitern passt!