ITO - Ratschläge erteilen vs. Ermutigend Führen

 

Mir unterlief letztens ein Führungsfehler, der mich auf einen interessanten Unterschied aufmerksam machte, den ich mit Ihnen teilen möchte.

 

Ratschläge erteilen vs. Ermutigend Führen

 

Gut gemeinte Ratschläge

 

Wir hatten uns für ein großes Projekt bei einem Neukunden beworben und waren zur Präsentation unseres Konzepts (neudeutsch Pitch) eingeladen worden. Diese sollte ein erfahrener Kollege übernehmen. Als er auf der Anreise zu besagtem Pitch war, rief ich ihn an, um ihm zu zeigen: Ich bin in Gedanken bei dir! Wir stehen alle hinter dir.

„Alles klar?“, fragte ich zur Begrüßung, ohne etwas anderes als „Ja, klar!“ zu erwarten und war dann überrascht, als der Kollege das zum Anlass nahm, mir seine Zweifel mitzuteilen. Er machte sich alle möglichen Sorgen, wie die Präsentation laufen würde und sah unsere Chancen eher gering.

 

Ich selbst schätzte unsere Chancen eher hoch ein, begann mir allerdings in dem Moment auch Sorgen zu machen, ob es dem Kollegen gelingen würde, unser Konzept mit Begeisterung zu präsentieren. Ich überlegte mir: Wie würde ich das machen? Und ich dachte an den Kollegen und fragte mich, was er alles schlechter machen könnte. Und dann lief ich zur Höchstform als Führungskraft auf: Ohne mich lang mit seinen tatsächlichen Sorgen aufzuhalten, referierte ich über die Schwächen des Kollegen, was ich beobachtet hatte, was früher schon mal schief gelaufen war, was ich anders (und natürlich besser) machen würde und ich gab ihm eine Reihe an Ratschlägen, die – wenn er sie nur befolgen würde – ganz bestimmt für den Erfolg sorgen würden. Ich selbst würde es so machen und wäre siegesgewiss.

Als ich geendet hatte und er das tatsächlich widerspruchslos über sich hatte ergehen lassen, passierte allerdings etwas für mich in dem Moment Unerwartetes. Auch wenn es jetzt, da ich es aufschreibe und sie das lesen, natürlich alles andere als unerwartet und eher sogar extrem offensichtlich ist: Der Kollege war noch kleinlauter als zu Beginn unseres Gesprächs. Er bestätigte, was ich gesagt hatte, sähe es ähnlich, wüsste trotzdem nicht wie er es machen sollte. Seine Selbstzweifel und Sorgen waren noch größer geworden. Vielleicht kennen Sie ja auch den Ausspruch „Ratschläge sind auch Schläge“. Eigentlich hätte er gleich umkehren und nach Hause fahren können. Der Pitch war verloren. Sein Problem lag an ganz anderer Stelle: An fehlendem Selbstvertrauen. Und dazu hatte ich keinen positiven Beitrag geleistet, im Gegenteil. Meine Ratschläge hatten ihn allenfalls entmutigt.

 

Ermutigende Führung ist agile Führung

 

Was hätte er stattdessen gebraucht?

Eine Bestätigung, dass er alles mitbringt, um diesen Pitch zu rocken! Dass ich das Vertrauen in ihn habe. Dass er so oft schon gezeigt hat, dass er so etwas kann. Vielleicht auch: Dass wir nichts zu verlieren und nur zu gewinnen haben. Er hätte meine Zuversicht spüren können. Ich hätte ihn ermutigen können, das zu tun und sich so zu geben, wie er es am besten kann. In der Sicherheit, dass das den besten Beitrag leistet, den Auftrag zu holen, denn:

  • Fremdakzeptanz führt zu Selbstakzeptanz
  • Fremdvertrauen führt zu Selbstvertrauen
  • Ermutigung führt zu Selbstsicherheit

Und Selbstsicherheit ist nicht zuletzt die Voraussetzung für Selbststeuerung und agiles Arbeiten.

 

Ich habe mir deshalb eines geschworen: Bei der nächsten Gelegenheit mehr darüber nachzudenken, ob es vielleicht eher an Selbstvertrauen mangelt, als an Skills. Und dann etwas zur Steigerung des Selbstvertrauens zu unternehmen und zu ermutigen, anstatt Ratschläge zu erteilen.

 

P.S.

Den besagten Pitch haben wir tatsächlich verloren, belegten aber immerhin den 2. Platz von 15 Beratungen. Gewonnen hatte eine Agentur, die schon an einem ähnlichen Projekt für den Kunden arbeitete und ihm bestens bekannt war.

Das Entscheidende für mich als ermutigende Führungskraft war aber nicht, dass wir den Auftrag verloren hatten. Sondern dass wir so gut waren, dass wir als Zweitbester abgeschnitten hatten. Ich war stolz auf das Team und den Kollegen, der diese tolles Ergebnis erzielt hatte – in der Sicherheit, dass ihm das nächste Mal auch ein erster Platz gelingen wird.

 

Bis bald!