Fake Talents

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Kein Mensch will etwas werden, ein jeder will schon etwas sein. (Goethe)

 

In einem Interview mit Norbert Elgert, dem Talentschmied des FC Schalke, stolperte ich kürzlich über den an Goethe angelehnten Satz: „Heutzutage wollen alle etwas sein, aber niemand will mehr etwas werden.“ Diese Beschreibung des deutschen Fußball-Nachwuchses charakterisiert leider ganz gut eine allgemeine Befindlichkeit, die ich in unserer Gesellschaft verspüre. Und dies umso mehr zum Beginn des Jahres, wenn es wieder mal an die Neujahrsvorsätze geht: Wir wollen etwas sein, bringen aber nicht die Motivation auf, etwas dafür zu tun.

Wie sagte mein Bruder als Kind mal so nett: „Ich würde ja gerne ein Instrument spielen können. Nur mit dem Üben habe ich es nicht so.“

 

Bewerber, die vorgeben schon alles zu sein

 

Die Steigerung erleben wir häufig in der Jobsuche: Da wird z.B. ein Projektleiter gesucht, der verhandlungssicher Englisch spricht. Der Bewerber sagt sich: Ich spreche zwar nicht so gut Englisch, aber ich kann es ja mal trotzdem versuchen. Andere sprechen ja auch nicht so gut Englisch.

So wird aus dem „sein wollen“, ein „so tun, als ob man wäre“. Eine mögliche Zukunft wird einfach in die faktische Gegenwart übertragen. Und dass, obwohl man aufgrund des „nicht werden Wollens“ wohl auch in der Zukunft wahrscheinlich nicht besser Englisch sprechen wird.

 

In ganz vielen Bewerbungsgesprächen geht es deshalb meist nur um eins: Sich möglichst groß darzustellen und dem potenziellen Arbeitgeber zu vermitteln: „Ich kann auf alle Fälle alles, was der Job erfordern könnte. Und sogar mehr.“

Ich weiß nicht, wann das letzte Mal jemand von sich aus darüber gesprochen hätte, was er noch nicht ist und noch lernen möchte.

 

Arbeitgeber, die nur auf das schauen, was jemand bereits ist

 

Aber sind wir mal ehrlich: Auch als Arbeitgeber suchen wir vornehmlich das, was jemand ist bzw. vorgibt zu sein, und schauen erst sekundär auf das, was jemand noch werden könnte. Man will den fertigen Mitarbeiter, der alle Anforderungen erfüllt. Den gibt es nur meist nicht. Aber weil er trotzdem gesucht wird, werden Bewerber geradezu in die Rolle gedrängt, sich so darzustellen. Das umso mehr, als es bei den Anforderungen an Jobs mittlerweile recht inflationär hergeht. Hat es früher gereicht, über gute Englisch-Kenntnisse zu verfügen, muss man heute schon mindestens fluent sein, wenn nicht gar native speaker.

Es wird keiner belohnt, der sagt: „Das bin ich noch nicht. Aber das möchte ich gerne werden und bin motiviert dafür zu lernen.“

Derjenige hingegen, der einfach behauptet, es zu sein, dem geben wir viel lieber eine Chance, auch wenn wir eigentlich wissen müssten, dass das unwahrscheinlich ist. Trotzdem denken wir wohl „Wenn er es dann doch nicht ist, kann er das ja lernen.“ Nur dass wir über seine Lernfähigkeit und -motivation ja nichts erfahren haben. Im Gegenteil: Wer behauptet etwas zu sein, das er nicht ist, bei dem sollten wir aus gutem Grund sehr, sehr skeptisch sein, ob er die Motivation aufbringen wird, das noch zu erlernen!

 

Meine Empfehlung für das nächste Bewerbungsgespräch

 

Für Bewerber ist meine Empfehlung deshalb: Sagen Sie ruhig, was Sie sind und was nicht. Begeistern Sie aber vor allem damit, was Sie noch lernen und werden wollen.

Und allen, die Einstellungsinterviews führen, möchte ich mitgeben: Gewichten Sie die Motivation von Bewerbern, etwas werden zu wollen, höher, als was er heute schon ist.

 

Zum Abschluss habe ich noch zwei Neujahrs-Fragen für Sie:

Was wollen Sie selbst werden in 2019?

Und was sind Sie bereit dafür zu tun?

 

Ein frohes, neues Jahr. Und bis bald!